vote06 // cdw und LAN kommentieren die Nationalratswahl 2006

Freitag, September 08, 2006

tv-duell (3): spö-bzö...

was relativ unspektakulär begann, nahm sein ende in einem verbalen schlagabtausch, der seinesgleichen sucht. in runde 3 der orf-wahlkonfronatationen schenkten bzö-spitzenskandidat peter westenthaler und spö-parteivorsitzender alfred gusenbauer einander nichts - es saßen sich zwei politiker gegenüber, die den populismus wohl schon mit der muttermilch aufgesagt haben.

westenthaler: eine regierungspartei muss ein herz für die bevölkerung haben.

"eine regierungspartei muss ein herz für die bevölkerung haben", scheinargumentierte etwa westenthaler und hielt gusenbauer 58 belastungen aus spö-regierungszeiten vor. überhaupt entwickelte der bzö-chef im laufe des gesprächs ein faible für die neunziger jahre - und erinnerte etwa an altkanzler franz vranitzkys (spö) legendären pensionsistenbrief: "herr gusenbauer, tun's ned so, als wären sie der gralshüter der pensionisten." gusenbauer ließ mit der ankündigung, im falle eines spö-wahlerfolgs die schwarz-blaue pensionsreform rückgängig zu machen auhorchen, weil menschen, die 45 jahre lange garbeitet haben, das recht hättten, abschlagsfrei in pension zu gehen.

interessant waren die unterschiedlichen intepretationen der beiden politiker zur höhe der sozialquote: gusenbauer kritisierte die kürzungen von "schwarz-blau-orange" zu lasten der "kleinen leute", die heute über weniger reallohn verfügen würden und weniger kaufkraft hätten. westenthaler konterte, die sozialquote sei derzeit höher als in der ära vranitzky und klima. kein wunder, so gusenbauer, schließlich hätte österreich heute 100.000 arbeitslose mehr, die die sozialquote nach oben treiben würden.

thurnher: sie können reden soviel sie wollen, sie sind nicht mehr im bild, herr westenthaler.

zur hälfte der diskussion brachte westenthaler schließlich erstmals die ausländer ins spiel. 25% aller sozialabgaben würden nicht-österreicher kassieren, echauffierte sich der bzö-spitzenkandidat und redete sich in einen schwall, den die souverän agierende ingrid thurnher jäh unterbrach: "sie können reden soviel sie wollen, sie sind nicht mehr im bild, herr westenthaler", was gusenbauer sichtlich amüsierte.

westenthaler: spö - schönste penthäuser österreichs.

die rache des ingenieurs kam schnell - und mit einem taferl, das fälle "sozialistischer misswirtschaft" aus der jüngsten vergangenheit illustirete, "10 milliarden euro sind dank der roten bosse den bach hinunter" und "die kleinen dürfen blechen und die spö hat im bawag-skandal 3 milliarden euro in der karibik versenkt" - westenthaler war nicht mehr zu stoppen und überreichte gusenbauer ein geschenk: "fluch der karibik", teil 1. "teil 2 läuft derzeit im kino und teil 3 gibt es am 1. oktober: fluch der karibik - die rache der wähler", so westenthaler an gusenbauer. der spö-chef reagierte souverän auf die polemischen anschuldigungen seines gegenüber und delegierte - rhetorisch geschickt und rechtsstaatlich korrekt - die verantwortung für die entscheidung über etwaige strafrechtliche konsequenzen an die österreichische gerichtsbarkeit. doch westentahler blieb hart - das kürzel spö bedeute "schönste penthäuser österreichs" und gusenbauer betreibe mit der distanzierung vom ögb "kindesweglegung". da wurde auch gusenbauer erstmals emotional und fragte den ingenieur nach der größe seiner villa und erhob den vorwurf des postenschachers.

westentahler: sie haben hier offenbar jemanden sitzen, der sie mit material gegen uns versorgt.

diesen vorwurf griff moderatorin ingrid thurnher sogleich auf und erbat von westentahler eine antwort. doch der wich aus und warf schließlich einen blick auf das thurnhers display, das unter anderem die redezeit der beiden kontrahenten anzeigt. er sehe dort namen wie reichhold und forstinger. westenthaler witterte empört eine verschwörung: "sie haben hier offenbar jemanden sitzen, der sie mit material gegen uns versorgt."

westenthaler: es gibt kan postenschacher.

dem rest der diskussion waren kaum noch sachinformationen zu entnehmen. beide politiker präsentierten unterschiedliche zahlen und modelle, redeten entweder ihre eigene arbeit schön oder kritisierten die arbeit des anderen über gebühr. bemerkenswert vielleicht noch gusenbauers vorschlag, das kindergeld flexibler zu gestalten.

gusenbauer: da graust mir davon.

westentahler wiederholte seine ankündigung, 300.000 ausländer "mit dem flugzeug, der bahn, dem bus, dem auto" außer landes zu schaffen: "30 prozent weniger ausländer ist machbar." westenthalers polemik um halbmond statt gipfelkreuz markierte dann endgültig den übergang von wahlkonfrontation zu kabarett. "mit verhetzung vund verleumdung seien problemne nicht zu lösen", betonte gusenbauer und distanzierte sich: "da graust mir davon." westenthaler war schließlich derart in fahrt, dass er gusenbauer noch "nazi-verharmlosung" vorwarf und sich den leitspruch "meine heimat ist wir wichtig" entlocken ließ. das letzte wort gehörte freilich dem spö-chef: westenthaler hätte 30 sekunden länger gerdet, resümierte thurnher. gusenbauer: "aber trotzdem weniger gesagt."

fazit: beide kandidaten haben in dieser schlammschlacht wohl bei ihrer jeweiligen klientel gepunktet. gusenbauer reagierte auf die bawag-vorwürfe souverän und routiniert und war auch sonst sattelfest. westentahler disqualifizierte sich teilweise durch verbale entgleisungen. punktesieg für gusenbauer. (cdw)

4 Comments:

  • ja, ziemlich gut der gusi gestern gegen den bislang offensivsten akteur der tv-duelle. zwar haben ihn die großangriffe westenthalers zum thema bawag ein wenig in die bredouille gebracht, doch seine schlagfertigkeit hat mich sehr positiv überrascht, vor allem die kühnen aussagen "is er jetzt fertig?" und "und trotzdem hat er weniger gesagt" - letzteres ein prägnantes, gelungenes schlusswort der konfrontation.

    sehr interessant war diesmal (im gegensatz zu den ersten beiden malen) auch der standard-livekommentar, diesmal von barbara toth:
    http://derstandard.at/?id=2578341

    By Anonymous Anonym, at 8/9/06 10:37  

  • thats it.......so muss man auf einen Kaliber a la Westenthaler reagieren.
    Das erst mal das Gußenbauer in seiner ganzen Amtszeit gut rübergekommen ist.Da sieht man ein Bisschen Witz Hilft mehr als die perfekte Rethorik! Normal kannst auch den Strache leicht so aufmachen.
    Gratuliere an die Analyse. Triff es Punkt genau!

    By Anonymous Anonym, at 8/9/06 12:19  

  • Genial:
    http://www.datum.at/0806/stories/2603717
    Gusi ist gestern übrigens in meiner Gunst sehr gestiegen! Hat der eigentlich sei der letzten NR-Wahl seinen Mediencoach gewechselt? Er ist, imho, um Klassen besser als noch vor vier Jahren.
    @ian: Die Kommentare von Frau Toth waren insofern interessant, als dass sie von der ÖVP Klausur aus kamen, und hin und wieder Einblicke in die dortige Stimmung gewährt wurden. Ansonsten waren sie wir bereits die letzten zwei Male überflüssig. Genauso wie die (natürlich auch meine, aber was erwartet man schon nach drei Bier - ansonste halt ich nämlich den w nicht aus) Postings.

    By Anonymous Anonym, at 8/9/06 13:42  

  • Die Analyse ist abermals gut gelungen. Dieses TV-Duell hatte zum ersten Mal eine richtige Komik. Witzig waren ja Peter Hojac´s Paranoia-Schübe hinsichtlich Fr. Thurnher und dem ORF. Damit demontierte er sich selbst und ließ einem ungewohnt lockeren und launigen Gusenbauer das Feld über. Gusenbauers Schlusssatz war ein wirkungsvoller Tiefschlag der durchaus eine gewisse Schlagkraft und Humor vermuten ließ, seinen Punktesieg unterstrich er damit.

    By Blogger Miguel de Cervantes, at 8/9/06 16:54  

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